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Es gibt so Tage, da hast du den Zonk gezogen und nix hilft. Aber was tun, wenn man keinen Obi-Wan Kenobi hat, der einen runterholt oder man bei Mr. Miagi meditativ Autos polieren kann? Früher gab es das HB-Männchen, das ist inzwischen im Arrest, Rauchen ist out. Was also tun, wenn der Ärger kommt?

Die ganze letzte Woche war schräg irgendwie und hart, fühlte sich schwer an, einiges ging daneben. Vielleicht standen die Gestirne schlecht. Die Aszendenten in Konjunktur zum Melmac und der Holzkopf im Konkurs zum Drama, was weiß denn ich. Da bekanntlich alles ein Ende hat und die Arbeitswoche den Freitag, nahte Erlösung. Feierabend, geschafft. Ab nach Hause. Nächste Woche, neues Glück.

Doch dann beim Zuschließen klemmt die Tür.  Alarmanlage war bereits scharf geschaltet, dass verschärft die Situation um einiges. Panik. Tür auf, Tür zu. Schließen. Geht nicht. Game over. MÖP. Alarm, Alarm.

Das Wochenende einläuten hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Wo sind Ohrstöpsel, wenn man sie braucht? Sicherheitsdienst: „ein Einbruch wurde gemeldet“.

„Nein, nein nur Fehlalarm. Die Tür klemmt. Bitte den Alarm ausschalten und dann die Anlage wieder aktivieren.“

– Pause –

„Hallo? Jemand zu Hause?“

Die Stimme am anderen Ende der Leitung hatte offensichtlich keinen Schimmer, stammelte dann aber: „ähm, drücken Sie mal die und die Taste“.

„Die gibts hier nicht“.

„Muss aber“.

„Aha, kann ich das dem Gerät irgendwie mitteilen?“

„Na dann weiß ich auch nicht weiter, ich frag mal einen Kollegen, der ruft sie gleich an“.

Eine halbe Stunde später, nehm ich die Sache und den Telefonhörer aktiv in die Hand: „Ich warte immer noch auf den Rückruf Ihres Kollegen?“

„Ach, hat er das noch nicht getan?“

„Doch, ich wollt nur mal hören, was Sie darauf antworten würden? Nein, natürlich nicht! Geben Sie mir bitte seine Nummer, ich rufe ihn selbst an.“

„Die habe ich nicht, da muss ich erst nachschauen.“

Gedanke klopft an graue Substanz: Wie will er denn seinen Kollegen informiert haben, wenn er a) nicht im selben Raum mit ihm ist und b) seine Nummer nicht hat? Luftblasen steigen auf… dann Bilder: Trommeln… Rauchsignale… „Ich rufe Sie zurück“ unterbricht mich die andere Seite beim Sinnieren.

Wäre dieser Tag ein Fisch, würde ich ihn wieder ins Meer werfen! (Autor unbekannt)

Tick. Tack. Das Schreien der Stille. Wie ich das aus Geheimdiensthauptzentralen in Filmen kannte, hatte ich alle Telefone nebeneinander aufgereiht. Falls er auf dem anderen anruft (er hatte allerdings nur eine Nummer). Aber man weiß ja nie. Paranoia, ich komme. Ich entschließe mich erneut anzurufen. Besetzt. Verzweifelte 19 Versuche später „Ich habe Sie nicht erreicht, da springt immer ein Anrufbeantworter an.“ „Hääääh? Ich hab doch vom anderen Telefon aus… egal. „Haben Sie die Nummer Ihres Kollegen?“ „Ja.“ Ich notiere sie, rufe an: besetzt.

Was läuft hier eigentlich?

Kurz bevor ich mit dem Kopf auf der Tischplatte aufschlagen wollte, ging mir ein Licht auf.

Kennst du den Moment, wo ein Scheinwerfer auf die Situation scheint um dir zu zeigen, was da gerade läuft? Das Universum meint es grundsätzlich gut mit uns (wenn wir nur öfter hinhören würden), schaltet auf Slow Motion und schenkt uns einen Blick „uffs janze Drama“.

Treffer, versenkt, ist angekommen, ich fing an zu grinsen. Wenn das Ego nicht mehr damit beschäftigt ist sich aufzuregen, wechselt das Genre oft von Drama zu Comedy. Der Grat ist dünn, ich weiß. Meine Wahl: Kopf auf Tischplatte oder Hand am Abzug für Lachsalve. Ich entschied mich für letzteres. Wahrscheinlich gibt es 99 weitere Varianten, aber ich hatte meine Wahl getroffen.

Hier könnte es jetzt happy enden, tut es aber nicht. Das Leben tritt ordentlich nach. Warum eigentlich, der Ball ist längst wieder abgespielt? Ich habe die Situation doch lachend gemeistert und bin mir meines Ärgers bewusst geworden? Aus meinen Untiefen steigen allerdings Fragen auf, die mir in die Seite zwicken:

Warum hab ich mich eigentlich so darüber geärgert?

Warum bin ich wieder darauf reingefallen?

Warum habe ich das nicht eher gecheckt?

Und schon ärgert mich, dass es mich immer noch ärgert. Ich weiß es doch „eigentlich“ besser, bin doch „eigentlich“ schon weiter, hab doch schon 100 Mal geprobt und erfahren und analysiert. Blöd das! Eine Situation gemeistert und dann doch hängengeblieben an der Wiederholungsschleife. Und genau hier liegt die Perle.

JA, ich lass das jetzt so!

Es geht nicht darum, sich ab Kilometer 1.210 ganz plötzlich nicht mehr über sich selbst oder bestimmte Situationen zu ärgern. Es geht darum zu üben, immer wieder. Alltagssituationen als Spiel zu betrachten hilft mir immer wieder. Im Improvisationstheater geht es darum JA zu sagen. JA ZUR SITUATION, wie sie nun einmal gerade ist.

Dort sind wir darauf angewiesen, dass unser Mitspieler uns einen Ball zuwirft, auf den wir dann reagieren können. Kommt von dieser Seite etwas, dass wir so nicht auf dem Schirm hatten, wird geblockt, wir sagen innerlich nein. An diesem Punkt wird es schwierig mit der Kreativität, der Fluss ist ins Stocken geraten.

Im übertragenen Sinne meine ich damit: spielt uns der Alltag einen Ball zu, ihn mit einem JA annehmen.  Das heißt nicht, die Situation gut zu finden, lediglich die Abwehrposition aufgeben. Es ist nur ein JA zu etwas, dass sowieso schon da ist, auch wenn unsere Vorstellung eine völlig andere war.

Nicht dagegen, sondern präsent sein

Der Punkt ist nicht, dass wir alles perfekt machen müssen. Das Leben ist nicht perfekt. Es geht darum anzunehmen was nun einmal da ist.  Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich schneller aus meinem eigenen Terror rauskomme, wenn ich nicht dagegen ankämpfe. Was Scheiße ist, bleibt Scheiße, Blümchenduft drübersprühen ändert daran nix.

Akzeptieren und Anerkennen was ist. Und irgendwann (das kann mal kürzer, mal länger dauern) kommt etwas in mir in Bewegung. Das ist der Moment, in dem ich durch die Scheiße wieder an Land schwimme. Je öfter ich ans Ufer komme, desto stärker wird mein Vertrauen, dass ich es immer wieder an Land schaffe.

Wahrnehmen! Achtsam sein.

Annehmen was ist (ohne zu bewerten)!

Aufstehen, Abklopfen, anders weiter!

In diesem Sinne: Sehr geehrter Herr Ärger, danke für Ihren Besuch. Die Botschaft ist angekommen. Bleiben Sie, solange es nötig ist und dann gehen Sie weiter. Ich komme allerdings nicht mit. Ich bleibe lieber bei mir.

Mach die Türen auf und lass dein Leben rein ;o)

4 Kommentare

  1. Elisa

    Eigentlich bin ich auf dem Sprung und nur zufällig irgendwie hier hängengeblieben. Obwohl ich eigentlich keine Zeit habe, konnte ich nicht anders, als den Text bis zum Ende zu lesen und zu schmunzeln. Nicht nur du warst am Ende bei dir, Susan, ich war es dank deiner schönen Schreibweise auch. 🙂 Weiter so!

    Antworten
    • Susan

      Oh das freut mich wirklich sehr, liebe Elisa, dass du hier „hängengeblieben“ bist. Ich hoffe, du hast die Zeit wieder eingeholt. Ich danke dir für deinen lieben Kommentar und herzliche Grüße auf die Insel 😉
      Susan

      Antworten
  2. Eva

    Liebe Susan,
    ich bin ebenfalls hängen geblieben. Was für eine besondere Art zu schreiben Du hast. Danke für den Hinweis, das Leben als Improvisationstheater zu sehen.
    Ich gucke mal, welche Bälle es mir heute zuspielt.
    Herzlichst
    Eva

    Antworten
    • Susan

      Liebe Eva,
      danke schön für deinen Besuch hier und dein Verweilen. JA, das Leben spielerisch zu sehen, schafft eine Freiheit und auch Leichtigkeit. Ich übe auch immer noch und immer wieder. Ich hoffe, du konntest die Bälle heute tanzen lassen :o)

      herzliche Grüße Susan

      Antworten

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