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Umwege erhöhen die Ortskenntnis heißt es. Theoretisch klar soweit. Praktisch eher nervig und immer irgendwie unpassend. Wir stemmen uns dagegen und genau das verschlimmert die Sache eher.

Umwege sind nicht unbedingt immer die schöneren Pfade, aber ein Blümchen gibt es auf jeden Fall zu pflücken. Irgendeine Erfahrung nehmen wir immer mit. Wusste auch schon H. C. Andersen:

„Leben allein genügt nicht, sagte der Schmetterling. Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man auch haben.“

 

Auf der Suche nach dem eigenen Weg

Vielleicht gehörst du ja auch zu denen, die viele Interessen haben. Ich finde so viele Sachen spannend, dass es für zwei Leben reicht. Klare Sache, man kann nicht alles machen und entscheiden fällt schwer. Also einfach mal anfangen und ausprobieren.  Da kann es dann schon mal passieren, dass nach kurzer Zeit Ende ist.

Viele Jahre hatte ich deswegen ein sehr schlechtes Gewissen, denn alle anderen schienen da mehr Durchhaltevermögen zu haben. Also machte ich weiter, obwohl ich wusste, dass ich auf dem Holzweg war. Klassischer alle-anderen-können-das-ja-auch-Umweg…

Inzwischen weiß ich, dass es eine Menge anderer Menschen wie mich gibt: Vielbegabte, Multipontentials oder Scanner genannt. Diesen Begriff prägte in den Neunzigern Barbara Sher, die einige Bücher zum Thema verfasste. So anders bin ich also gar nicht. Was mir ebenfalls erst jetzt bewusst wurde, dieses Tausendsassaphänomen ist nicht wirklich neu.

Was tun Experten, wenn sie nicht weiterkommen?

Schon Genies wie Galileo Galilei oder Leonardo da Vinci waren in vielerlei Hinsicht begabt und beschäftigten sich mit unterschiedlichsten Themen. Sie ließen sich nicht auf ein einziges Fachgebiet reduzieren.

Und weißt du was Einstein gemacht hat, wenn er ein mathematisches Problem nicht lösen konnte? Er hat Geige gespielt. Er nannte das kombinatorisches Spiel, um seine „Intuition zu rufen“. So nach dem Motto:  Wenn du nicht tun kannst, was du eigentlich möchtest, mach halt etwas anderes. Am besten natürlich etwas Kreatives.

Absichtlich in Bewegung bleiben (und den bewussten Umweg in Kauf nehmen) ist besser als in Schockstarre vor einem scheinbar unlösbaren Problem zu verharren.

Das Leben ist eine Baustelle

Und na klar, den klassischen Umweg gibt’s auch. Hindernisse und Blockaden auf der Strecke. Das Drama, wenn plötzlich die gewohnten Abläufe nicht greifen. Irgendjemand dreht an einem winzig kleine Rädchen und wir suchen sofort den Sand im Getriebe, anstatt uns auf die Lösung zu fokussieren  – also nach dem Umweg umzusehen. Apropos Sand, da fällt mir eine Geschichte ein:

Ich radelte seit Wochen den gleichen Weg zur Arbeit, hatte mich so daran gewöhnt, fuhr quasi auf Autopilot, doch peng, eines Tages versperrt mir ein Bauzaun den Weg, mitten durch „meinen“ Waldweg. Frechheit! Verdammt, auch das noch, ich komme hier nicht weiter. Ärgerlich schiebe ich mein Rad vorwärts.

Wie Umwege uns auf den Weg bringen

Umwege als Wegweiser

Ich will hier durch.

Ich bin hier immer lang.

Ich weiche nicht aus!

Das kommt ja gar nicht in Frage.

Ich wuchte das Rad über den Sandberg. Hieve es am Bauzaun vorbei und fluche:

Überall nur Baustellen,. Zu Hause, auf Arbeit, auf dem Weg dahin. die scheinen mich zu verfolgen.

Und ich bin felsenfest davon überzeugt: Mein Leben besteht aus Baustellen. Ich schüttle mir den Sand aus den Schuhen, klopfe den Staub von der Hose, setze mich aufs Fahrrad und radle leise grummelnd weiter.

Wochenende du kannst kommen.

Wochenende vorbei und ich Montag früh auf dem Weg zur Arbeit: ach, hatte es ganz vergessen, da war ja noch… ein Bauzaun.

Hm, denke ich mir ist ja nicht schlimm, wollte den anderen Weg ja sowieso mal ausprobieren und biege vor dem Hindernis ab. Nanu, ich bin begeistert, welch schöner Weg sich mir da offenbart. Ich radle durch die bunte Oase einer Kleingartenanlage. An duftenden Rosenbüschen, Lavendel und Obstbäumen vorbei und – anschnallen bitte – am Gartenlokal „Lange Gurke“.

Seit dem freue mich immer immer wieder über die Blumen, den Duft, das Grün und die lange Gurke.

Das passiert so oft: irgendwas geht uns gegen den Strich und wir fokussieren genau das, was wir nicht wollen. Und was geschieht? Es zeigt sich immer mehr von dem, was wir nicht wollen. In meinem Fall Baustellen. Fokus auf etwas anderes gerichtet und was sehe ich? Blümchen 😉

Die Route wird neu berechnet

So wie der Frühling auf den Winter folgt und der Tag auf die Nacht ist sicher: Nix ist so stetig wie die Veränderung. Widerstand zwecklos.

Eigentlich ja nichts Neues, das Leben baut Hindernisse ein, wo wir sie nicht vermuten und das ärgert uns. Nehmen wir mal an, das Leben ist ein Hürdenlauf. Die Hürden werden platziert, um uns herauszufordern. Aber nicht, wie wir oft dem Schicksal unterstellen, aus purer Boshaftigkeit, sondern damit wir uns anstrengen können. Über uns hinauswachsen. Besser werden.

Gelöste Probleme belohnt das Gehirn mit Glücksgefühlen. Da wir davon gern mehr hätten, sollten wir einfach mehr Probleme lösen, also nach Wegen suchen 😉 Je öfter wir das tun, desto leichter fällt es uns. Da fällt mir ein schönes Zitat ein, leider nicht der Autor:

Kaum denkst du, du hättest das Schicksal festgenagelt, schlendert es mit dem Hammer davon.

Der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther behauptet sogar: „Keiner weiß, wie das Mensch sein geht. Wir lernen das nur, indem wir uns immer wieder irren. Wir müssen uns also erst verrennen, um rauszufinden, dass es so nicht geht.“

Wegweiser für Umwege

Wenn du
  • auf dem direkten Weg nicht weiterkommst, schlage eine andere Richtung ein und konzentriere dich dabei auf die schönen Seiten. Setze die „Aha-so-könnte-man-es-auch-sehen-Brille“ auf. Such die Blumen am Wegesrand 😉
  • den Weg nicht siehst, tue etwas körperliches um zu dir selbst zu kommen. Inspiration wird von Bewegung angezogen. Die Inspiration findet dich, wenn du ausreichend Tumult veranstaltest.
  • denkst, in einer Sackgasse gelandet zu sein, verweile nicht bei deinem  „gefühlten Versagen“. Bleibe kreativ beschäftigt, suche dir etwas anderes, dass dich inspiriert und vom Festhängen ablenkt (zeichnen, tanzen, Musik machen).
  • keine Blumen am Wegesrand oder finden solltest, lasse los. Du kannst sicher sein – und das weiß ich hundertprozentig – für irgendwas waren die zusätzlichen Kilometer gut. Das stellt sich irgendwann ganz sicher heraus.

Mein Fazit:

Es ist wichtig, die für sich passenden Strukturen zu finden, um sich nicht in Umwegen zu verrennen. Gleichzeitig aber auch die Offenheit für andere Blickrichtungen zu haben. Manchmal erschließen sich erst durch Umwege unsere eigenen Potenziale und Werte.

Ich hab den leisen Verdacht, dass wir uns hin und wieder durch gewisse Umwege selbst beweisen müssen, wie ernst uns etwas ist. Erst wenn wir auch diese Widrigkeiten gemeistert haben, haben wir das Potenzial für den Zieleinlauf.

Umwege liegen in den seltensten Fällen auf der Zielgeraden, doch oft stellen sie sich  – natürlich erst in der Rückschau – als Glücksfall heraus.

Also, egal wie viele Extrameilen du gehst, die Hauptsache ist, du gehst deinen ganz eigenen Weg.

Und die Moral von der Geschicht‘: manchmal zwingt der Umweg dich 😉